Die Geschichte des Roller Raumes reicht historisch nachweisbar bis in die Jungsteinzeit, das Neolithikum, also in die Zeit von 4000 bis 2000 vor Christus. In diesem Zeitraum fand in Europa der Übergang von der Nomadenkultur zur Bauernkultur, der wandernden zu sesshafte Menschen statt. Viehzucht und Ackerbau lösten die Jagd und das Sammeln ab. Die Vorbedingungen für diesen Wandel waren im Poller Raum besonders günstig. Guter Boden, zum Teil Löß, oberflächlich verlehmter, humoser, in der Tiefe kalkhaltiger Sand mit hohem Basen- und Nährstoffvorrat sowie fruchtbarer Hochflutlehm sicherten eine leichte Bestellbarkeit und relativ große Fruchtbarkeit. Lichte Hochwaldbestände, der sogenannte Auwald aus Eichen und Erlen, lagen zwischen den Rheinarmen und Sumpfstücken und gaben den Siedlern Schutz, Bauholz und Brennmaterial. Wasser war in ausreichenden Mengen nicht nur im Rhein-Strom und seinen Seitenarmen, sondern auch in einer Vielzahl kleiner und größerer Binnengewässer, den sogenannten Maaren, vorhanden. Demzufolge war auch das Grundwasser schon nach Überwindung einer geringen Erd- und Sanddecke überall leicht zu erreichen.
Das ideale Siedlungsgelände lockte in der Folge die Menschen des Rössener Kreises. einer Kulturgruppe der Jungsteinzeit, der Bandkeramiker und der Michelsbergkultur an. Der älteste Fund aus der Bronzezeit (2000 bis 1000 Jahre vor Christus) ist ein kleines Randleistenbeil, das auf einem Acker in Pell entdeckt wurde. Es ist eindeutig ein keltisches Kultgerät und passt zu den verschiedenen keltischen Grabstätten, die in diesem Raum links- und rechtsrheinisch gefunden wurden. Über die den Illyriern zugeschriebene Urnenfelderkultur der bronzezeitlichen Entwicklung, die Funde aus der Hallstattzeit (von 800 bis 500 v. Chr.) und der La-Täne-Zeit, dem zweiten Abschnitt der europäischen Eisenzeit, bis zur unmittelbaren Einwirkung des römischen Imperiums gibt es Funde, die auch über die Besiedlung des Poller Raumes Aufschluss geben. Hier waren Teile der Ubier seßhaft geworden, die schließlich von den Römern auf das linksrheinische Ufer übernommen wurden, um den vor den Befestigungs- und Grenzanlagen liegenden rechtsrheinischen Raum von potentiellen Angreifern freizuhalten.
Die Herkunft des Namens Poll wird in allen Untersuchungen seiner Lage am Rhein zugeschrieben, der in dieser Zeit unbeeinflusst durch menschliche Einwirkung dahin floss und Maare, Lachen, Pfuhle und Sümpfe bildete, die im Volksmund auch "Pohl" oder "Pühl" genannt wurden. Zwar gibt es unterschiedliche Deutungen, aber schließlich decken sich sowohl die sprachgeschichtlichen Erkenntnisse, die auf das lateinische "palus", Sumpf, als auch auf das niederländische "poel", Wassertümpel, und ähnliches hinweisen.
Urkundlich wird Poll das erste Mal in einem Dokument vom 1. April 1003 genannt. Der deutsche Kaiser Otto der Große (936 bis 973) hatte seinen jüngeren Bruder Bruno zum Erzbischof von Köln gemacht. Dessen Nachfolger in diesem Amt wurde der Heilige Heribertus, dessen Gebeine in einem kostbaren Schrein in der Pfarrkirche zu Deutz ruhen. Er vermachte dem von ihm gegründeten Benediktinerkloster Deutz das Recht, den "Zehnten" eine Abgabe vom zehnten Teil des Bodenertrages von den Orten Kalk, Vingst, Westhoven sowie der "Villa Polla", der in diesem Raum bedeutendsten Siedlung, zu erheben. Zu "Villa Polla" gehörte auch die bereits 965 in einem Dokument von St. Pantaleon genannte Hofsiedlung "Rulishoue", auch "Roleshoven" genannt, dem späteren Rolshoven. Der Rolshover Hof erinnert daran.
Entstanden ist die Siedlung Poll allerdings zweifellos viel früher. Erzählungen und Legenden berichten von einer Ansiedlung niederländischer Fischer. Gräberfunde und archäologische Untersuchungen lassen darauf schließen, dass Poll auch lange Zeit eine Siedlung freier fränkischer Bauern ohne Hörigkeit zu Fronhöfen war. Das hat sich später geändert, als die Siedler einen Teil ihrer Unabhängigkeit zugunsten der größeren Sicherheit aufgaben und sich an Grundherren anschlossen, wie der Rolshoverhof der Abtei Pantaleon, der Kielshof der Abtei Deutz oder der Altbergerhof der Abtei Altenberg. So wurde das Bild Polls vom Mittelalter bis in die Neuzeit hin schließlich bestimmt von wenigen großen Höfen und kleinbäuerlichen Betrieben, deren Bewohner zum Teil von ihrem kleinen Stück eigenen Landes, teils von Lohnarbeit für die großen Höfe oder von handwerklicher Arbeit lebten. Im 17. und 18. Jahrhundert wandelte sich Poll zum Fischerdorf und wuchs zur bedeutendsten Siedlung im ganzen Raum heran. Sein bedeutender Rang wird dadurch gekennzeichnet, dass es im Gegensatz zu den anderen Siedlungen dieses Raumes ein eigenes Schöffen-Kollegium hatte.
Erst die im 19. Jahrhundert beginnende Industrialisierung wandelte das jahrhundertealte dörfliche Bild Polls, das gleichwohl durch seine schmalen Straßen und vielen kleinen Häuser an zahlreichen Stellen noch heute seinen Ursprung als Fischer-dorf erkennen lässt. Allerdings verlor Poll gegen Ende des 19. Jahrhunderts mehr und mehr an Bedeutung, während Gemeinden wie Kalk und Vingst begünstigt wurden. 1888 schließlich erfolgte die von Köln schon jahrelang angestrebte Stadterweiterung. Mit der Eingemeindung zahlreicher Vororte im Norden, im Süden und im Westen wurden im rechtsrheinischen Raum Deutz mit Humboldt-Gremberg und auch Poll in das Stadtgebiet einbezogen.
Die Eingemeindung brachte erste, wenn auch bescheidene Fortschritte. So wurde schon ein Jahr später die Hauptstraße gepflastert und eine Straßenbeleuchtung mit 20 Petroleumlampen errichtet. 1904 gab es sogar den Anschluss an die städtische Wasserleitung und drei Jahre später den Ersatz der Petroleumlampen durch Gasbeleuchtung. Viel mehr war an Fortschritt aber kaum zu registrieren, und das hatte vielleicht seine Ursache in der auf Drängen der Poller Bevölkerung in den Eingemeindungsvertrag eingearbeiteten Klausel, wonach Poll noch 50 Jahre seinen ländlichen Charakter bewahren dürfe. Heute, da wir Flächensanierungen und die Schaffung von Ballungszentren oft mit großer Vorsicht betrachten und eher dazu neigen, dass bauliche und gemeindliche Strukturen möglichst erhalten werden, klingt dieser Vorbehalt der Poller Bürger von 1888 geradezu weise. Damals freilich, in Zeiten einer raschen Industrialisierung, wirkte der an sich verständliche Wunsch zur Aufrechterhaltung der bestehenden Struktur eher hinderlich für den Fortschritt. So kam es, dass die Entwicklung Polls eigentlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, sich dann aber so rasch vollzog, dass die Gegensätze zwischen dem bestehenden Ortskern und den an der Peripherie aufwachsenden Siedlungen und Wirtschaftsunternehmen deutlicher wurden, als man sie sich hätte wünschen können. Die alten Hofanlagen sind heute kaum noch zu erkennen. Eine Menge ehemals kleinbäuerlicher Betriebe ist völlig verschwunden.
Es waren aber nicht nur Naturkatastrophen, die Poll und seine Einwohner in der Geschichte bedrohten. Die Lage Polls in unmittelbarer Nähe der zwei starken Festungen Köln und Deutz hatte zur Folge, dass sowohl Poll als auch Rolshoven immer wieder von kriegerischen Ereignissen überzogen wurden.
Leid und Not begannen für dieses Gebiet mit dem Ausbruch des Truchsessischen Krieges, in dem wilde umherziehende Soldatenscharen das Gebiet durchstreiften und die Bevölkerung drangsalierten. Sowohl truchsessische als auch bayerische und Kölner Soldaten verheerten das Land, wobei 1588 die Poll benachbarte Siedlung Vingst völlig niedergebrannt wurde. Unmittelbar nach Beendigung des Truchsessischen Krieges wurde das Gebiet um Deutz und Poll von Scharen niederländischer, spanischer und französischer Soldaten überzogen, die das Land plünderten und auch vor Gräueltaten nicht zurückschreckten.
Natürlich brachte auch der 30jährige Krieg (1618-1648), der die damals deutschen Gebiete zwei Drittel ihrer Bevölkerung kostete, Not und Leid für den Poller Raum. Nacheinander fielen Spanier, Schweden, Franzosen, Hessen und die Truppen von General Piccolomini in das Land ein, verwüsteten die Felder, plünderten und steckten die Gebäude in Brand. Die meisten Bewohner der Gemeinden um Deutz herum flüchteten nach dem Verlust von Haus, Hof und Ernte in die nahen Wälder, um wenigstens das Leben zu retten. Der den 30jährigen Krieg abschlie-ßende Westfälische Frieden ließ die geschundenen Menschen wieder hoffen. In der Tat wurde es ruhiger, und nach und nach begann ein bescheidener Wiederaufbau. Aber dieser Zustand währte nicht lange.
Heute weist Poll nur noch in seinem Kern den historischen Dorfcharakter auf. Neben den Resten der alten Hofgüter wie Rolshover Hof, Türkshof, Tellenbachshof, Hackenbroichshof und Hasenbergshof, neben Backstein- und Fachwerkhäusern, sind am Rande des alten Dorfkerns in der Gründerzeit und im 20. Jahrhundert von verschiedenen Baugenossenschaften große Siedlungen errichtet worden, die zumeist in sich geschlossen sind und kein zusammenhängendes, geschlossen bebautes Stadtgebiet bilden.
Rund 10 500 Menschen leben heute in Poll, davon rd. 1000 Ausländer. 50 Einzelhandels- und 30 Großhandelsbetriebe mit zusammen rd. 1400 Beschäftigten sowie 16 Gaststättenbetriebe wurden bei der letzten Handels- und Gaststättenzählung 1979 registriert. Neun Prozent der Poller Bevölkerung sind Selbständige oder mithelfende Familienangehörige, 40 Prozent Beamte und Angestellte und 51 Prozent Arbeiter (Quelle: Volkszählung 1970).
Während die Stadt Köln insgesamt tagsüber rd. zehn Prozent mehr Bürger beherbergt als innerhalb der Stadtgrenze wohnen, dagegen im Stadtbezirk 7 (Porz) die sogenannte "Tag-Bevölkerung" zehn Prozent geringer ist als die "Nacht-" (Wohn) Bevölkerung, sind "Tag-" und "Nacht-Bevölkerung" in Poll nahezu gleich; nur 0,5 Prozent der Poller Bürger sind statistisch gesehen, außerhalb tätig. Die Wirtschaft ist mittelständisch strukturiert; der größte Betrieb ist die Maschinenfabrik Alfred Schütte auf dem Industriegelände zwischen Rhein und Poller Kirchweg. Landwirtschaft wird kaum noch betrieben, und die Fischerei lebt nur noch in Traditionen fort.
Die älteste Kirche (1866) ist St. Joseph. Die zweite katholische Kirche, St. Dreifaltigkeit wurde 1983, 50 Jahre alt. Daneben gibt es eine evangelische Kapelle der Gemeinde Deutz § Poll. Es gibt zwei Grundschulen und je eine Förder-Schule für lern- und geistig behinderte Kinder.
Die Poller Bürger sind in besonderem Maße mit ihrer Gemeinde verbunden. Das zeigt sich auch in dem regen Vereinsleben wie Turn-, Sport- und Rudervereine, Gesang- und Schützenvereine (die St. Hubertus Schützenbruderschaft 1878" dürfte der größte Poller Verein sein) haben sich organisiert. Kleingärtner-, Brieftauben-, Angelsport- und Kaninchenzuchtfreunde sind entstanden und pflegen die Bindungen der Bürger untereinander und in ihrer Gemeinde. Als Kuriosum im Kölner Raum ist zu vermerken dass es in Pell keinen Karnevalsverein gibt!
Ein zur Pflege des alten Brauchs der "Poller Maispiele" 1950 gegründeter "Maiverein Geloog" hat sich nach mehr als zehn Jahren verdienstvoller Arbeit zur Wiederbelebung der traditionellen Maispiele inzwischen mit der "St. Hubertus-Schützenbruderschaft 1878" verbunden, deren jährliche Schützenfeste zweifellos den Höhepunkt des Poller Vereinslebens darstellen wenn es auch in den letzten Jahren immer wieder Versuche gab, die alten Maispiele zu beleben. Diese "Maispiele" der Poller gehen auf die Zeiten zurück, als der Lachs oder Salm noch im Frühjahr vom Meer aus rheinaufwärts zu seinen Laichplätzen zog, zu denen auch die Rhein-Nebenarme bei Poll gehörten. Besonders viele Besucher aus Köln kamen in diesen Tagen nach Poll, die delikaten Fischgerichte zu genießen. Sie konnten den "Maifisch" allerdings auch in Köln kaufen, wo die "Poller Milchmädchen" schon lange einen guten Ruf und eine feste Kundschaft hatten. Die Poller Milch wurde täglich morgens schon gegen 6.00 Uhr von Poller Mädchen über die Schiffsbrücke oder mit Fährkähnen nach Köln gebracht. Dabei trugen die Poller Milchmädchen eine besondere Tracht mit bunten Kattunkleidern, frischen hellen Schürzen mit blauen Oberschürzen darüber und steif gestärkte, weiße Kopftücher.
Text: Christian Winter / um 1980 (... gefunden im Archiv ...)
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