Der Poller Bürgerverein lud am Wochenende zu einer Führung über die Poller Wiesen und zur Südbrücke ein. Unter dem Titel "Das Leben am Strom" erzählte Paul Reucher Geschichten aus den vergangenen Jahrhunderten.
So wie heute haben die Wiesen nicht immer ausgesehen. Früher war es eine hügelige Landschaft erzählte der Hobby-Historiker. Erst 1894 entstand im Zuge der Flußregulierung eine ebene Landschaft, die viel zu bieten hatte. Vor allem die Kölner, denen das Glücksspiel in der Stadt untersagt war, kamen häufig auf die Schäl Sick, um sich hier zu amüsieren. "Die Wiesen waren zur damaligen Zeit, das Tivoli von Köln."
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde schließlich die Südbrücke gebaut, denn die alte Dombrücke (heutige Hohenzollern Brücke), von den Kölner auch Muusfall genannt, war hoffnungslos überlastet. 1904 fuhren täglich über 400 Züge über diese Brücke, erzählte Paul Reucher.
1906 wurde mit dem Bau der Südbrücke begonnen. Als zwei Jahre später der mittlere Pfeiler der Brücke brach, hatten die Poller keine Scheu, das angeschwemmte Holz einfach zu stehlen. Das blieb natürlich nicht unbemerkt und als der Bau der Südbrücke fortgesetzt wurde, forderte man das Holz zurück, soweit noch vorhanden.
1910 wurde die Südbrücke schließlich fertig gestellt. Auf den damaligen Türmen wurde mit romantischen Fresken die Rheingold-Geschichte erzählt.
Die Fresken wurden beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder komplett hergestellt.
Die neue Brücke wurde von den Kölner und den Pollern gut angenommen. Für zwei Pfennig Wegegeld konnte man auf die jeweils andere Rheinseite gelangen. Zeitweise waren so viele Leute unterwegs, das geregelt werden musste,
wer auf welcher Seite zu gehen hat. Trotz Brückenpersonal hatten die Poller mit starken Verschmutzungen zu kämpfen.
Schon damals beschwerten sich die Bürger über den penetranten Uringeruch in den Türmen und Brückenaufgängen.
Dem einen oder anderen Poller wurde die Brücke zum Verhängnis. Der ein oder andere stürzte sich vor Liebesgram in den Rhein. Es hieß damals "Sie gingen ab zum Himmelgeist", erklärte Paul Reucher. Mit Himmelgeist ein Ort ein Vorort von Düsseldorf gemeint, wo dann die Leichen angeschwemmt wurden. Während der Inflation in den 20er Jahre, sind viele Arbeitslose für eine Mark von der Brücke in den Rhein gesprungen,
um sich ne Mark zu verdienen.
Quelle: Gesehen, gehört, erzählt von Paul Reucher †
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