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Die Häuser am Poller Damm

Vorbildliche Arbeit eines Kleinsiedlervereins, einmalig in Deutschland!
So etwas wird es wohl nie mehr geben!

Am alten Poller Damm entsteht ein ganzer Straßenzug bescheidener, aber stabile Einfamilienhäuser. Auf einem Betonfundament erhebt sich das in einfache Formen gehaltene Erdgeschoß, festgefügt aus Backsteinen mit gefälligem Satteldach. ES ist die Siedlung des Poller Kleinsiedlervereins "Selbsthilfe". Sämtliche Häuser wurden von den Mitgliedern in Selbst- und Kameradschftshilfe gebaut und das Bemerkenswerte dabei ist; aus Altmaterial. Beim Abbruch gewonnene Baustoffe finden hier wieder zweckentsprechend Verwendung. Der Kleinsiedlerverein "Selbsthilfe" ist die einzige Körperschaft in ganz Deutschland, die auf diese Weise ihren Mitgliedern zu Eigenheimen verhilft. Im Grunde genommen verhilft nicht der Verein ihnen dazu, sondern sie selbst. Alle Arbeit wird gemeinschaftlich ausgeführt. Den Sinn des Ausspruches: "Einer für alle und alle für einen", findet hier seine Verwirklichung. Der eine Hilft dem anderen beim Bau seines Hauses. So entsteht das Werk einer beispielhaften Gemeinschaftsarbeit.

Wie es dazu kam!

ES war in der Zeit, als die Not am größten war. Tag für Tag schwoll das riesige Heer der Arbeitslosen an. Kein Ausweg winkte. Verzweifelt hatten sich die Menschen in ihr Schicksal ergeben. Nur eine Schar Bauhandwerker, Maurer meist, litt es nicht, untätig zu Hause zu hocken. Sie dachten bei sich andere haben wir Häuser gebaut und wir selbst hausen in Dachkammern. Wozu haben wir unsere Fäuste.

Das war allerdings leicht gesagt. Woher aber die Mittel nehmen zum Bau eines eigenen Heimes? Man war ja erwerbslos und nur auf die Unterstützung angewiesen, von der man dergleichen Ausgaben bestimmt nicht bestreiten konnte. Doch die Idee saß allen in den Köpfen und ließ sie nicht los. Da kam einer auf den Gedanken, ob man sich nicht um die Überlassung von einem abbruchreifen Gebäude bemühen sollte. Mit dem Altmaterial ließ sich schon arbeiten. Da stand beispielsweise ein altes Haus in der Wasserturmstraße, das der Stadt gehörte. Also trat man an sie heran. Das Unternehmen schien zu gewagt. Ohne einen Pfennig Barvermögen würde man doch nicht weit kommen, meinte die Behörde. Die Leute ließen aber nicht ab. So übergab man ihnen schließlich das Gebäude zum Abbruch Erst sollten sie einmal beweisen, was ihr Unternehmensgeist vermochte.
Die Arbeitslosen waren zunächst zufrieden. Ein Anfang war gemacht. Der Kreis der Interessenten an diesem Gemeinschaftswerk vergrößerte sich. Man schritt zur Bildung eines Vereins, der rasch auf 120 Mitglieder anwuchs. Alle Handwerker vom Bau waren vertreten, Schreiner, Elektriker, Zimmerleute, Maurer, usw.

Die Arbeit beginnt!

Im Herbst des Jahres 1932 wurde mit dem Abbruch begonnen. Mit Handwagen schaffte man mühsam die so gewonnenen Baustoffe zu einem Lagerplatz am alten Poller Damm, den die Stadt vorläufig überlassen hatte. Einen Teil davonverkaufte man auch, um mit dem Erlös Zement und andere Notwendige Dinge zu erwerben. Im Laufe des Winters fand man mehr und mehr Verständnis. Man erhielt noch weitere abbruchreife Gebäude zugeeignet. Im Frühjahr des Jahres 1933 standen mehr als eineinhalb Millionen Steine auf dem Lagerplatz aufgestapelt. Auch andere Materialien, wie Dachsparren, Türen, Fensterahmen, Bretter und andere mehr in Mengen vorhanden.

Architekt Blank verfertigte die Pläne und griff den im Übrigen den Leute unter die Arme, wo er nur konnte. Die Stadt überließ den Lagerplatz als Bauland und erklärte, daß zunächst einige Häuser errichtet werden sollen, bevor sie an ein Darlehen denken könne. Und jetzt brachten die Siedler das schwierige Werk zuwege, die Mittel für die ersten acht Häuser sich regelrecht vom Munde anzusparen.

Das wäre kaum möglich gewesen, wenn nicht einer für den anderen eingesprungen wäre. Der Verein verschmolz zu einer festen Gemeinschaft, zu einer großen Familie, die auf Gedeih und Verderb verbunden war.

 Zeitung vom 13. Oktober 1933

Aus acht werden 120 Häuser

ES fiel den Siedlern bestimmt nicht leicht, durchzuhalten. Die einzige Förderung ihres Werks bestand darin, daß nun auch Private ihnen kostenfrei den Abbruch des einen oder anderen Hauses überließen und aus ihren Trümmern entstanden am Poller Damm Werkstätten, Schreinerei und Schlosserei. Die Werkzeuge stellten die Siedler selbst. Und oft trat der Fall ein, dass der Nachbar helfend einsprang, wenn die Schaufel oder die Maurerkelle entzwei ging. Mit der wenig kräftigen Kost im Magen, die man sich von dem Unterstützungsgeld gerade leisten konnte, musste nun Tag für Tag in Wind und Wetter schwer gearbeitet werden.

Viele waren unter den Siedlern, die mittags ein Butterbrot, bestrichen mit Rübenkraut, verzehrten. Das Werk gedeiht trotzdem, an diesem Gedanken richteten sie sich auf, wenn die Verzweiflung sie übermannen wollte

Welche Freude, welche Genugtuung erfüllte sie, als das erste Richtfest gefeiert wurde und als gar die erste Familie ihr neues Heim beziehen konnte. Mit berechtigtem Stolz sah man auf die Arbeit, die buchstäblich aus dem Nichts geschaffen worden war. Niemand mehr zweifelte daran, daß das Werk auch zu Ende geführt würde. Als die ersten ach Häuser fertig dastanden, wurde auch das erste so lang ersehnte Darlehen gewährt, mit dem es sich nun noch einmal so gut wie vorher arbeiten ließ. Die Handwagen wurden durch einen Traktor mit Anhänger ersetzt, so daß der Transport nicht mehr so schwierig und zeitraubend wurde. Vor allen Dingen durften die zum Abbruch erworbenen Gebäudeteile jetzt auch einmal weiter entfernt liegen. Die Behörde hatte Zutrauen gewonnen und wandte sich bei Abbrucharbeiten in erster Linie an den Kleinsiedlerverein. Selbst die Ziegelei am Butzweilerhof wurde ihnen von der neuen Stadtverwaltung zum Abbruch überlassen.

Wie steht's heute? Oktober 1933

Der Plan umfasst 120 Einfamilienhäuser, für jedes Mitglied des Vereins also ein Heim. Davon sind heute im Laufe von zwei Jahren35 bewohnt. Etwa 30 Häuser werden noch am Poller Damm errichtet und sind im Bau. Der restkommt voraussichtlich im sogenannten Wasserfeld, dem Flecken zwischen Siegburger Straße und Gremberger-Wädlchen zur Ausführung. Jedes Haus erhält Küche und drei Zimmer. Zu dem gehört noch ein Stallbau und etwa 800 Quadratmeter Gartenland. Der Wert eines solchen Hauses beläuft sich auf etwa 1.500 Mark Unkosten.

Heute finden die Siedler weit mehr Unterstützung als im Anfang. Seit dem Frühjahr des Jahres ist die RGB halbamtlicher Trägerin der Siedlung. Sie lässt den Leuten jeden Mittag ein warmes Mittagessen zukommen. Die Hitlerjugend unterstützt die Arbeit, indem sie die Jungen des Vorhandwerklichen Jahrganges zur Verfügung stellt. Es sind Schulentlassene Jungen, die bisher noch keine Lehrstelle gefunden haben. Um sie dem Einfluss der Straße zu entziehen, sind sie einem Lager, das sich in Deutz befindet, zusammengefast und werden hier an das Handwerk herangeführt. Der Junge hat Gelegenheit, sich mit dem Handwerk, an dem er gefallen hat, näher zu befassen. So erhält er eine Handwerkliche Vorlehre.

Trotzdem fällt den Siedlern das Durchhalten noch schwer genug. Die Arbeiten gehen nicht schnell genug voran. Es fehlt an Abbrüchen, um das restliche Material zusammenzubekommen. Auch herrscht ein fühlbarer Mangel an Arbeitskleidung. Viele Siedler laufen in zerschlissenen Schuhen im Schlamm und Wasser einher. Wenn erst der Winter gekommen ist, wird diese Not noch spürbarer. Für jedes getragenes, noch brauchbares Kleidungsstück, für jeden Abbruch sind die Siedler dankbar.

Quelle: Rechtsrheinisches Köln / Der Tag ⋅ Sonntag, den 13. Oktober 1933

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